„Es ströme, aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ Amos 5,24
Der Gedenkbrunnen auf dem Vorplatz der Auferstehungskirche dient der Erinnerung an die jüdischen Mitbürger, die von 1933 bis 1945 verfolgt, deportiert und ermordet wurden.
Im Zentrum des Gedenkbrunnens findet sich einer der zentralen Verse aus dem Prophetenbuch des Amos. Ein wunderbares Bildwort, das die Grundpfeiler menschlichen Zusammenlebens mit dem Element Wasser in Verbindung bringt: Es geht also um Elementares! Ohne Recht und Gerechtigkeit gibt es keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aus diesem Stoff sind Verfassungen und Grundgesetze gewebt. Als Wort in den Stahl des Davidstern geschnitten, weist es darauf hin, was in der Welt und vor Gott durch alle Zeit gilt - unwandelbar.
Amos legt als Prophet den Finger in die Wunde seiner Zeit im 8 Jahrhundert vor Christus: In einer Zeit wirtschaftlicher Blüte werden die Reichen reicher und die Armen ärmer - weite Teile der Landbevölkerung verelenden und verlieren die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben. Fast im selben Atemzug mit dem Menschen entrechtet werden, wird das Gotteslob pompös zelebriert und Gottesdienste feierlich gestaltet. Der Ritus an den heiligen Städten floriert. Als Sprachrohr Gottes geht Amos mit diesem Widerspruch zwischen Glauben und Leben hart ins Gericht: So kann es nicht weiter gehen, spricht der Herr! Sein prophetischer Ruf ist ein Ruf zur Umkehr, gegen alles „weiter so“.
Prophetische Worte zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch alle Zeit ihr Gültigkeit behalten - sie nutzen sich nicht ab: Die Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland zur NS-Zeit hat deutlich gemacht, was passiert, wenn Menschen entrechtet werden: Ein Weg in die Katastrophe - letztlich für alle. Keinen Bereich soll es geben, der von Recht und Gerechtigkeit ausgenommen ist: Gottesdienst und Dienst an einem menschenwürdigen Dasein für alle gehören zusammen. Ohne Recht und Gerechtigkeit (hebr.: „Zedaka“) gibt es kein Leben in Freiheit und Geschwisterlichkeit! Wie das Wasser des Brunnens soll dies in jede Ritze unserer Beziehungen dringen, den Staub und Trott von Vorurteilen wegspülen und zum fruchtbaren Boden werden, auf dem Zusammenleben von Religionen und Kulturen gelingt.
Bernhard Silaschi
Wider das Vergessen!
Welche Bedeutung hat die Erinnerung an den Holocaust in unserer Gegenwart? Wie kann ein Erinnerungsort, der an die Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten als Juden in Bad Oeynhausen verfolgt, deportiert und ermordet wurden, gestaltet und im Stadtraum verortet sein? Und geht von Shoa eine künstlerische Motivation aus bzw. machen das Ausmaß und der Maßstab des Holocaust nicht jeden Versuch, ihn zu repräsentieren, unweigerlich zu einem aussichtslosen Unterfangen?
Diese und andere Fragen waren eng mit dem Entstehungsprozess des Gedenkbrunnens verbunden. Es ging um die Auseinandersetzung mit verschiedenen Wahrnehmungsebenen, den Gegebenheiten vor Ort und um die Aufarbeitung des Geschehenen. In einem intensiven Austauschprozess mit der Altstadtgemeinde entstanden Anfang 2002 erste Ideenskizzen. Verbindende Intention war es, dem gemeinsamen Gedenken ein demokratisches Fundament zu geben. Daher war es wichtig, dass gerade über die gestalterische Konzeption des Gedenkbrunnes nicht übereinander hinweg entschieden wurde. Die gemeinsame Debatte hat gezeigt, dass das richtige Maß, eine angemessene Form des Erinnerns zu finden, trotz gemeinsamer Grundüberzeugungen nicht immer leicht war. Was ist dem Geschehen angemessen vor dem Hintergrund des Ausmaßes des Grauens und was ist für die Zukunft wichtig? Die Beantwortung dieser und anderer Fragen verdeutlichte, dass veränderte und erweiterte Zugänge zum Geschehenen notwendig waren.
Herausgekommen ist eine Formensprache des Gedenkens, die einen Zugang zur Ereignisgeschichte ermöglicht, indem sie an das historische Geschehen erinnert und die zugleich die bis in die Gegenwart gültigen Grundlagen für eine humane, die Würde des Einzelnen achtende Menschheit, thematisiert. Gerade das eindrucksvolle Bild von der Gerechtigkeit als nie versiegender Bach ist ein Gegenentwurf zur Verfolgungs-, Terror- und Mordpolitik der Nationalsozialisten, in der das Leben eingeschränkt und genommen wurde, weil der lebensspendende Wasserfluss von Recht und Gerechtigkeit versiegte. Das plastische Bild von Recht und Gerechtigkeit macht wie ein nie versiegender Bach das Leben wieder möglich und hält die Erinnerung wach. Dieses Bild des alttestamentlichen Propheten soll uns zugleich verpflichten, wachsam zu sein und zu bleiben.
Dietmar Lehmann
„Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist“
Am 20. März 2010 wurde der erste Stolperstein in Bad Oeynhausen in der Parkstraße 12 für den Fabrikanten Max Grunsfeld verlegt. Es folgten 33 weitere Gedenksteine. Sie erinnern an die Jüdinnen und Juden aus Bad Oeynhausen, die durch die Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Viele starben in Konzentrationslagern oder eines anderen gewaltsamen Todes.
Die „Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunther Demnig. Kleine rechteckige Steine mit einer Gedenktafel aus Messing erinnern an Menschen, die aufgrund ihrer Religion, politischen Haltung, sexuellen Orientierung oder Krankheit vertrieben oder vernichtet worden sind. Die Steine werden als Erinnerungszeichen am letzten selbstgewählten Wohnsitz verlegt und ergänzen damit als dezentrale Mahnmale den Gedenkbrunnen vor der Auferstehungskirche am Kurpark von Bad Oeynhausen. Die Inschrift auf den Steinen beginnt meist mit „Hier wohnte …“ gefolgt von einem Namen, Geburtsdatum und weiteren Angaben zu den Todesumständen.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Die Stolpersteine sind ein Mahnmal - gegen das Vergessen, aber auch für die Zukunft.
Verantwortlich für die Steine ist der Verein „Stolpersteine für Bad Oeynhausen e.V.“. Unterstützt durch das Archiv der Stadt Bad Oeynhausen und engagierte Ehrenamtliche sorgt der Verein für die Verlegung der Steine mit besonderen Veranstaltungen in Kooperation mit Schulen, den Kirchengemeinden und anderen Gruppen. Weitere Aufgaben sind die Pflege der Steine und die Gestaltung besonderer Veranstaltungen.
Lars Kunkel
Einweihung des Brunnens am 9. Mai 2002
Erneute Inbetriebnahme im Herbst 2021
Den Bericht finden Sie hier.